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Interview

Interview mit Markus Kurth, rentenpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen

"Die Riester-Rente gelangt immer mehr auf das rentenpolitische Abstellgleis"

In ihrer aktuellen Form kann die Riester-Rente die Rentenlücke nicht schließen, sagt der rentenpolitische Sprecher der Grünen, Markus Kurth. Für ihn verfehlt die geförderte Vorsorge ihr eigentliches Ziel daher. Denn vom Fördersystem profitieren aktuell vor allem Gutverdiener. Um die Alterssicherung aufzubessern, fordert Kurth sowohl Reformen als auch Alternativen für die Riester-Rente.

Die Riester-Rente steht seit einiger Zeit vermehrt in der Kritik und wurde bereits für gescheitert erklärt. Wo liegen Ihrer Meinung nach die Schwächen dieser staatlich geförderten Altersvorsorge? Welche Stärken hat sie?

Markus Kurth: Als systematische sozialpolitische Antwort auf die Rentenlücke reicht die Riester-Rente entgegen der ursprünglichen Erwartungen eindeutig nicht. Zu gering sind die Renditen, zu hoch die Verwaltungskosten, zu intransparent das Riester-System und viele einzelne Produkte. Die geförderte private Altersvorsorge kann das Absinken des Rentenniveaus in der Breite nicht ausgleichen. Dabei ist genau das ihre rentenpolitische Funktion. In ihrer bisherigen Form ist die Riester-Rente daher in der Tat gescheitert.

Das heißt jedoch nicht, dass alle Riester-Produkte für die private Altersvorsorge ungeeignet sind. Individuell gesehen mag die Riester-Rente durchaus attraktiv sein – vorausgesetzt die Sparerin oder der Sparer ist glücklich genug, den richtigen Vertrag zu erwischen. Besonders für Eltern mit mehreren Kindern lohnt sich die Riester-Rente dann aufgrund der Kinderzulagen durchaus.

Die Riester-Rente lebt vom Konzept der staatlichen Zulagen. Oftmals erhält jedoch nur ein kleiner Teil der Sparer die volle Fördersumme, weil sie zu wenig in den Vertrag einzahlen. Lohnt sich der Abschluss eines Riester-Vertrags in Ihren Augen überhaupt?

Markus Kurth: Nur rund sieben Millionen Menschen nutzen die Riester-Förderung in vollem Umfang, zahlen also tatsächlich vier Prozent Ihres Bruttoentgelts in einen Riester-Vertrag ein. Das ist angesichts von etwa 35 Millionen Förderberechtigten deutlich zu wenig. Besonders Geringverdienenden kommen die Fördergelder zu wenig zugute. Zwar erhalten sie, insofern sie über eine Riester-Rente vorsorgen, gemessen am eigenen Einkommen individuell oft relativ hohe Fördersummen. Allerdings fließen laut einer Studie der Freien Universität Berlin und des DIW 38 Prozent der staatlichen Gesamtförderung an das obere Fünftel der Einkommensskala, während nur sieben Prozent der Mittel an die unteren 20 Prozent gehen.

Das Riester-Fördersystem subventioniert damit diejenigen, die ohnehin schon sparen – eine Umverteilung zugunsten der Gutverdienenden, wie jüngst auch IfO-Präsident Clemens Fuest festgestellt hat. Das müssen wir dringend ändern, damit sich die private Altersvorsorge mehr als bisher für Menschen mit kleinen Einkommen lohnt.

Die Bundesregierung hat kürzlich einige Verbesserungen auf den Weg gebracht. So wird die Grundzulage 2018 steigen und es gilt ein Freibetrag von bis zu 202 Euro auf die Grundsicherung. Reichen diese Veränderungen aus, um den angekratzten Ruf der Riester-Rente aufzupolieren?

Markus Kurth: Die Anhebung der Riester-Grundzulage ist ein richtiger Schritt. Denn davon profitieren vor allem Geringverdienende. Wir freuen uns, dass die Bundesregierung damit eine Grüne Forderung aufgegriffen hat.

Freibetragsregelungen in der Grundsicherung hingegen, wie sie die Koalition nun im Rahmen des Betriebsrentenstärkungsgesetzes beschlossen hat, bergen Risiken. Ich sehe die Gefahr, dass wir uns mit ihnen auf eine Kombirente zubewegen. Wir Grüne schlagen als bessere Alternative eine Garantierente innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung vor: Wer dreißig Versicherungsjahre vorweisen kann, erhält eine aufgestockte Leistung, die oberhalb der Grundsicherung liegt. Anrechnungsverfahren und Bedürftigkeitsprüfungen wären überflüssig. Nach unserer Auffassung sollten auf diese Leistung weder Betriebsrenten noch private Vorsorge angerechnet werden. Das wäre ein systematisch sinnvoller Weg, anstatt möglicherweise zu einer weiteren Verbreitung der Grundsicherung beizutragen und schließlich faktisch zu einer Kombirente zu kommen. Darüber hinaus kann die Bundesregierung nicht schlüssig begründen, warum Einkommen aus der kapitalgedeckten Vorsorge gegenüber gesetzlichen Renten bevorzugt werden sollen.

Wenn die geförderte private Altersvorsorge in Zukunft überhaupt noch eine tragende Rolle spielen soll, muss sie grundlegend reformiert werden. Wir müssen es besonders Geringverdienenden besser als bisher ermöglichen, über ein neues Zulagensystem für ihr Alter vorzusorgen ohne dabei finanziell überlastet zu werden. Gleichzeitig plädieren wir für die Einführung eines öffentlich verwalteten, einfachen und kostengünstigen Bürgerfonds als Alternative zu den bestehenden Angeboten. Die Grüne Bundestagsfraktion hat hierzu einen umfassenden Antrag vorgelegt.

Was halten Sie davon, die Riester-Rente an ein Opt-out-Verfahren zu knüpfen, wie es der Gesetzgeber kürzlich für die Betriebsrente beschlossen hat? Könnten Ihrer Ansicht nach dadurch mehr Menschen motiviert werden, privat für das Alter vorzusorgen?

Markus Kurth: Opting-out-Regelungen sind immer ein Stück weit bevormundend und ich als Grüner sehe sie sehr skeptisch.

Wird es die Riester-Rente Ihrer Meinung nach in zehn Jahren noch geben? Welche Alternativen sehen Sie, um für das Alter finanziell abgesichert zu sein?

Markus Kurth: Riester, das Hoffnungsmodell der Nullerjahre, gelangt immer mehr auf das rentenpolitische Abstellgleis. Die Riester-Rente wird wohl auch in zehn Jahren noch existent sein. Allerdings erleben wir vor dem Hintergrund ihres offenkundigen Scheiterns eine Debatte um neue Wege. Die Stabilisierung des gesetzlichen Rentenniveaus steht dabei zu Recht im Mittelpunkt.

Darüber hinaus übernimmt spätestens mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz die betriebliche Altersversorgung eine ganz neue Rolle. In ihrer Bedeutung für das System der Alterssicherung überflügelt sie die Riester-Rente. Das ist gut und richtig. Schließlich lässt sich mit ihr eine Arbeitgeberbeteiligung organisieren. Die Maßnahmen des Betriebsrentengesetzes werden allerdings ihr Ziel nicht erreichen, die Betriebsrente auch dort zu verbreiten, wo sie bislang kaum stattfindet – in kleinen und mittleren Unternehmen. Wirksamer wäre eine gesetzliche Regelung, nach der jede Arbeitgeberin und der jeder Arbeitgeber den Beschäftigten verpflichtend eine Betriebsrente anbietet einen eigenen Beitrag leistet.

Im Sinne einer besseren Absicherung im Alter wollen wir zudem, dass die Riester-Förderung künftig auch denjenigen zugutekommen kann, die alternativ zur privaten Altersvorsorge freiwillige Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung zahlen.

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