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Interview

Cansel Kiziltepe von der SPD-Bundesfraktion

Kapitalgedeckte Rentensysteme sind anfällig und instabil

Die Riester-Rente ist wie andere kapitalgedeckte Rentensysteme oft zu teuer, instabil und anfällig, findet Cansel Kiziltepe von der SPD-Bundestagsfraktion. Ihrer Meinung nach darf die Rente nicht an unbeständige Kapitalmärkte gekettet werden. Stattdessen fordert sie eine Anhebung des Rentenniveaus auf über 50 Prozent.

Die Riester-Rente ist immer wieder in der Kritik und wurde bereits für gescheitert erklärt. Was sind in Ihren Augen die Schwachstellen dieser staatlich geförderten Altersvorsorge? Welche Stärken hat sie?

Cansel Kiziltepe: Die Riester-Rente hat die an sie gestellten Erwartungen, also die Absenkung des Rentenniveaus zu kompensieren, nicht erfüllt. Zum einen machen Geringverdiener viel zu wenig von der Förderung Gebrauch, sodass erhebliche Teile der Förderung an die oberen 20 Prozent der Einkommensbezieher fließen. Zum anderen zehren die hohen Gebühren der Versicherungskonzerne einen Großteil der erzielten Rendite wieder auf. Die sehr hohe staatliche Förderung kam bisher daher überwiegend nicht denjenigen zugute, die sie benötigen.

Hauptgewinner der Riester-Rentenreform sind die Unternehmen, da die Beiträge zur Riester-Rente nicht mehr paritätisch aufgebracht werden. Verschärfend kommt hinzu, dass die Riester-Rente vieler Geringverdiener später mit Grundsicherungsleistungen verrechnet wird. Menschen, die schon ein sehr geringes Nettoeinkommen haben, sparen demnach umsonst.

Die staatliche Förderung ist gerade in Anbetracht der niedrigen Zinsen sehr attraktiv. Denn nicht nur die Riester-Rente ist von dem Zinstief betroffen. Jedes andere sichere und vergleichbare Altersvorsorgeprodukt hat ebenfalls mit der mickrigen Rendite zu kämpfen – mit einem Unterschied: Dort fehlen die staatlichen Zulagen.

Sollte die Riester-Rente Ihrer Meinung nach abgeschafft und in die gesetzliche Rentenversicherung integriert werden, wie es beispielsweise Die Linke vorschlägt oder lohnt es sich, sie zu retten?

Cansel Kiziltepe: Die bisherige staatliche Subventionierung sollte zielgerichteter in die Anhebung der Rentenpunkte für Geringverdiener investiert werden. Denn nur wer 45 Jahre lang zu einem Stundenlohn von 11,68 Euro arbeitet, erhält im Alter eine Nettorente oberhalb der Grundsicherung. Wer hingegen ein Leben lang zum Mindestlohn gearbeitet hat, der muss im Alter ergänzende Grundsicherung beziehen. Die Versicherten sollten entscheiden können, ob sie die Verträge ohne staatliche Förderung weiterführen oder in Rentenpunkte bei der gesetzlichen Rentenversicherung umwandeln wollen.

Welche weiteren Anpassungen wären notwendig, damit die Riester-Rente wieder mehr Auftrieb bekommt?

Cansel Kiziltepe: Neben der Heraufsetzung von Rentenpunkten für Geringverdiener ist es die wichtigste Aufgabe, das Rentenniveau wieder über 50 Prozent zu stabilisieren. Dies ist möglich durch eine moderate Erhöhung des paritätischen Beitragssatzes. Arbeitnehmer und Arbeitgeber tragen so zu gleichen Teil zu einer lebensstandardsichernden Rente bei. Die Arbeitnehmer stellen sich aber deutlich besser, da sie im Unterschied zur Riester-Rente nur den halben Beitragssatz aufbringen müssen.

Aktuell ist unter anderem im Gespräch, die Beitragsgarantie abzuschaffen, sodass Sparer mehr Rendite erzielen können. Was halten Sie davon?

Cansel Kiziltepe: Dass über die Aufhebung der Beitragsgarantie diskutiert wird, zeigt, wie anfällig und instabil kapitalgedeckte Rentenversicherungssysteme sind. Ohne Beitragsgarantie mögen Sparer später eine höhere Rente bekommen. Vielleicht bekommen sie aber auch weniger Rente, falls die Kapitalmärkte erneut kollabieren. Diese Risiken bestehen beim Umlagesystem nicht. Deshalb muss alles getan werden, um das Umlagesystem zu stärken und die Renten nicht an unbeständige Kapitalmärkte zu ketten.

Gibt es insbesondere für Geringverdiener überhaupt lohnenswerte Vorsorgemöglichkeiten, um im Rentenalter nicht von Altersarmut betroffen zu sein?

Cansel Kiziltepe: Wer zum Mindestlohn vollzeiterwerbstätig ist, der muss später eine auskömmliche Rente über dem Grundsicherungsniveau erhalten. In Österreich ist dies mit der dem Modell der „Mindestpension“ gewährleistet. Wer mehr als 30 Jahre gearbeitet hat, erhält eine Mindestrente von 1.000 Euro. Warum ist dies in Deutschland nicht möglich? Sind wir ärmer als die Österreicher? Warum gab es in Österreich keine Teilprivatisierung der Rente?

Wie stehen Sie zum kürzlich vorgeschlagenen Konzept der Deutschlandrente, mit der unter anderem die Arbeitgeber bei der Altersvorsorge stärker in die Pflicht genommen werden sollten?

 

Cansel Kiziltepe: Es ist völlig ausreichend, wenn die Arbeitgeber über die paritätische Finanzierung der gesetzlichen Rente stärker in die Pflicht genommen werden. Das wollen sie aber mit aller Macht vermeiden. Auf freiwilliger Grundlage ist eine kapitalgedeckte Zusatzversicherung analog der Deutschlandrente denkbar, die beispielsweise von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) im Rahmen eines Sondervermögens verwaltet werden könnte.

Der Vorteil bestünde darin, dass die DRV deutlich kostengünstigere Angebote machen könnte als private Versicherungskonzerne. Ein solches Angebot könnte auch die Riester-Rente ablösen. Viel wichtiger ist jedoch, das Rentenniveau deutlich über 50 Prozent zu stabilisieren und Altersarmut für Geringverdiener mit langen Versicherungszeiten wirksam auszuschließen.

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