Natascha Wegelin Finanzbloggerin Bild: Copyright Jacqueline Häusler
Bild: Copyright Jacqueline Häusler

Interview

Natascha Wegelin Finanzbloggerin

Riester-Rente: So wie sie jetzt ist, kann sie nicht bleiben

Die Riester-Rente hat laut der Finanzbloggerin Natatscha Wegelin für die Altersvorsorge von Frauen prinzipiell viel zu bieten. Denn das lebenslange Rentenversprechen und die staatlichen Zulagen sind attraktiv – sofern der Vertrag an sich günstig ist. Wegelin selbst fährt jedoch eine andere Strategie und setzt bei Altersvorsorge auf ETFs. Im Interview erklärt sie, warum.

Sie haben sich Ihr Wissen über Finanzen selbst angelesen, weil Sie schlechte Erfahrungen mit einer Finanzberatung zu aktiv gemanagten Fonds gemacht haben. Stehen Sie Angeboten der privaten Altersvorsorge insgesamt eher kritisch gegenüber? Wie denken Sie beispielsweise über die Riester-Rente?

Natascha Wegelin: Ich habe mich nach der Gründung meiner Firma vor fünf Jahren von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreien lassen. Da mir klar war, dass ich jetzt privat vorsorgen muss, schloss ich ungefähr ein Jahr später eine Rürup-Rente ab. Damals hat mich eine Maklerin dazu bequatscht und ich habe mich von den Steuervorteilen locken lassen. Ich war zu naiv und auch zu faul, dieses Produkt selbst zu verstehen und mich intensiver damit auseinanderzusetzen. So richtig wohl gefühlt habe ich mich mit dieser Versicherung jedoch nie. Erst nachdem die gleiche Maklerin versucht hatte, mir eine ganze Reihe aktiver Aktienfonds zu verkaufen, habe ich auf mein Bauchgefühl gehört. Dieses sagte mir, dass da doch irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Das hat dazu geführt, dass ich mir zum ersten Mal die Verträge meiner Rürup-Rente genauer angesehen habe.

Laut Vertrag hatte ich eine Beitragserhöhung um 900 Euro vereinbart. Konkret sollte ich plötzlich anstelle von 300 Euro monatlich 1.200 Euro ansparen. Davon hatte ich vorher noch nie gehört und war ziemlich geschockt. Natürlich hatte ich nicht vor, 1.200 Euro monatlich in meine Rürup-Rente zu zahlen.

Nach eingängigen Recherchen, auch mithilfe einer unabhängigen Honorarberaterin, musste ich mit Erschrecken feststellen, dass dieser rasante Anstieg des monatlichen Beitrags mit einer Erhöhung der sogenannten Vertriebskosten einherging. Konkret hätte ich 18.000 Euro an Gebühren zahlen müssen − und zwar zusätzlich zu den bis dahin schon gezahlten 4.000 Euro. Folglich wären ganze 22.000 Euro meiner Beiträge letztendlich nicht in die besparten Fonds geflossen, sondern in Form einer Provision an die Maklerin ausgezahlt worden.

Was ich als Wahnsinn und bittere Enttäuschung erlebt habe, ist natürlich per se kein Argument gegen eine Riester- oder eine Rürup-Rente. Dennoch finde ich solche Vorkommnisse bezeichnend für die ganze Branche: Sie ist viel zu intransparent. Ich unterstelle meiner Maklerin sogar eine gewisse Absicht, die Ahnungslosigkeit von Kundinnen und Kunden auszunutzen.

Sie sprechen mit Ihrem Blog gezielt Frauen an. Gerade für sie ist es besonders wichtig, sich eigenständig und privat ein Polster für die Rente aufzubauen. Denken Sie die Riester-Rente ist dafür geeignet?

Natascha Wegelin: Ob eine Riester-Rente geeignet ist, hängt sicherlich von vielen verschiedenen und vor allem persönlichen Faktoren ab. Jede Frau sollte auf jeden Fall darauf achten, wie viele Zulagen sie erhält und wie hoch die tatsächliche Gesamtrendite ist. Wenn die Rendite höher ist als das, was sie mit einer entsprechenden Anlage risikolos erreichen kann – also beispielsweise mit einem Tagesgeldkonto – ist ein Riester-Vertrag für den Rentenanteil des Vermögensaufbaus durchaus sinnvoll. Worauf frau ihre Entscheidung für oder gegen Riester jedenfalls nicht begründen sollte, ist in meinen Augen der steuerliche Vorteil. Der bringt erfahrungsgemäß zu wenig. Außerdem können sich steuerliche Regelungen ändern. Kürzlich haben wir das bei nachträglichen Regelungen zur Lebensversicherung und bei Bausparverträgen zu spüren bekommen.

Was denken Sie, wie es mit der Riester-Rente weitergehen wird? Wie könnte ihre Zukunft beispielsweise in 10 Jahren aussehen?

Natascha Wegelin: Die Rentenreform in Deutschland liegt nun bereits 15 Jahre zurück und doch hat sich unter jungen Menschen keine echte Kultur zusätzlicher Vorsorge etabliert. Junge Generationen fühlen sich durch die lange Vorplanung überfordert, verstehen die Produkte nicht – aber wer tut das schon? – und finden sich und ihre Lebensrealität offensichtlich nicht in ihnen wieder. Forscher warnen schon vor der „Generation Altersarmut“.

Vor diesem Hintergrund muss man die aktuell am Markt verfügbaren Angebote hinterfragen und ersetzen oder anpassen. Laut aktuellen Studien befürworten knapp zwei Drittel der Teilnehmer*innen aus der Generation Y automatische Sparregelungen fürs Alter bei Berufsbeginn. Wenn eine solche Sparregel mit einer Ausstiegsoption kombiniert wird und es noch Zuschüsse, wie etwa bei der Riester-Rente gibt, sind 89 Prozent dafür. Die aktuellen Produkte, einschließlich der Riester-Rente, befriedigen die Bedürfnisse der jungen Leute anscheinend nicht ausreichend. Ob es die Riester-Rente in ihrer jetzigen Form in zehn Jahren überhaupt noch geben wird, ist also eher fraglich.

Ich werde mich jedenfalls auch in Zukunft nicht auf Versicherungsprodukte verlassen, sondern meine Altersvorsorge mit ETFs selber in die Hand nehmen. Das ist für mich am transparentesten, kostengünstig und bringt die höchste Rendite. Dafür nehme ich in Kauf, kein lebenslanges Rentenversprechen zu bekommen.

Horst Seehofer hat die Riester-Rente bereits für gescheitert erklärt. Kürzlich hat er diese Aussage jedoch revidiert. Haben Sie das Gefühl, dass die Politik Sparer zu sehr verunsichert? Könnte darin auch das große Vertrauen in Finanz-Blogger begründet liegen?

Natascha Wegelin: Ich glaube nicht, dass viele (besonders junge) Menschen die Rentendiskussion in der Politik sonderlich intensiv verfolgen. Die Politiker sind vielen Leuten schon lange viel zu weit weg von ihren Lebensrealitäten. Meiner Meinung nach fehlt hier die Basis für Vertrauen. Deshalb kommen wir Finanz-Blogger ins Spiel. Wir sind authentisch und liefern einen Mehrwert durch objektive Inhalte. Wir kommunizieren auf Augenhöhe anstatt von oben herab. Wir berichten über Anlagestrategien, die wir selbst verfolgen. Diese Unbefangenheit und Aufklärung ohne parallel eigene, konträre Interessen zu verfolgen, bemerken und schätzen die Leserinnen und Leser. Daher sind Finanzblogger auf dem Vormarsch. Zum Glück, denn sonst macht es niemand.

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